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Pflege, die nicht passiert

Basel. Welche notwendigen pflegerischen Maßnahmen werden nicht durchgeführt und wie oft passiert dies? Dieser Frage gingen Wissenschaftler des Fachbereichs Pflegewissenschaft der Universität Basel nach. Betrachtet wurden allgemeine chirurgische und medizinische Abteilungen von europäischen Akutkrankenhäusern.

Ausgewertet wurden Daten von 33.659 Pflegenden aus 488 Krankenhäusern in zwölf europäischen Ländern aus (Belgien, England, Finnland, Deutschland, Griechenland, Irland, den Niederlanden, Norwegen, Polen, Spanien, Schweden, Schweiz). Die Daten waren ursprünglich im Rahmen der internationalen Studie „Nurse forecasting in Europe" (RN4CAST) erhoben worden. In Deutschland waren 1.058 Pflegefachkräfte in 49 Krankenhäusern befragt worden.

Deutschland belegte den letzten Platz, was den Ausbildungsstand der Pflegekräfte betrifft. In Spanien und Norwegen verfügen z.B. alle Beschäftigten über einen Bachelor Abschluss, im europäischen Durchschnitt waren es 54 Prozent aller Pflegekräfte, in Deutschland war das bei keinem der Teilnehmer der Fall.

In der Arbeitsbelastung liegt Deutschland ebenfalls an letzter Stelle. Während hier eine Pflegekraft im Krankenhaus etwa 13 Patienten versorgt, sind es in Norwegen nur fünf. Außerdem gaben 61 Prozent der deutschen Pflegekräfte an, in ihrer letzten Schicht mehrmals nicht pflegerische Aufgaben erledigt zu haben. Derart viele fachfremde Tätigkeiten müssen in keinem anderen europäischen Land von Pflegefachkräften verrichtet werden. Im Durchschnitt waren es 34 Prozent.

Im europäischen Durchschnitt konnten Pflegefachpersonen 3,6 von 13 pflegerischen Maßnahmen in ihrer letzten Arbeitsschicht nicht erledigen. Hier belegte Deutschland vor Griechenland den vorletzten Platz mit durchschnittlich 4,7 ausgelassenen pflegerischen Maßnahmen. Sieger waren die Schweiz, die Niederlande und Schweden mit 2,8 nicht geleisteten Pflegeanwendungen.

Mussten die Pflegekräfte Pflegearbeiten rationieren, fiel dem europaweit am häufigsten das Gespräch mit den Patienten zum Opfer. Auch die praktische Anleitung von Patienten und Angehörigen wurde häufiger weggelassen als z.B. Pflegeplanung, Dokumentation, Patientenüberwachung oder das Umlagern von Patienten.

Due Rationierung pflegerischer Maßnahmen sei ein Tabuthema in der Pflege, weil es ein berufsethisches und moralisches Dilemma darstelle. Das könne sich negativ auf die Arbeitszufriedenheit auswirken und auch zum Ausstieg aus dem Beruf führen.

Die Wissenschaftler verwiesen darauf, dass offenbar die Rahmenbedingungen für die Pflegefachkräfte beim Weglassen pflegerischer Maßnahmen Länder übergreifend eine Schlüsselrolle haben. Notwendig seien eine hohe Führungsqualität und die stimmige Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegenden. Eine wichtige Rolle spiele auch das Ausmaß pflegefremder Arbeiten, die Pflegende von ihren eigentlichen Aufgaben abhielten. Es sei Aufgabe des Managements, die Rahmenbedingungen zu optimieren.

Die Wissenschaftler plädierten dafür, Pflegefachkräfte regelmäßig zu befragen, um Mängel früher zu erkennen und zu beheben. Denn es sei eindeutig, dass Patienten, die von genügend und gut ausgebildetem Pflegepersonal versorgt würden, schneller genesen und seltener sterben würden. Wo eine geringere Zahl von Patienten von Pflegekräften versorgt würden, seien die Burnout-Raten niedriger, die Arbeitszufriedenheit sei besser, es gebe weniger Kündigungsabsichten und die Patienten seien zufriedener.





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