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IVKK: Jetzt muss Karlsruhe entscheiden

BERLIN (14. November 2013). Darf eine Kommune ihr Krankenhaus finanziell stützen? Ist das mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar oder stellen solche Hilfen einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil kommunaler Krankenhäuser gegenüber anderen Klinikträgern dar? Der Interessenverband Kommunaler Krankenhäuser (IVKK) hat heute in Berlin ein verfassungsrechtliches Gutachten vorgestellt, das eindeutig nachweist: Solche Hilfen sind zulässig. Gleichzeitig strebt der Verband aber nun eine grundsätzliche Klärung durch das Bundesverfassungsgericht an. Es soll darüber entscheiden, welchen Stellenwert die Krankenhausversorgung in Deutschland überhaupt hat: Sind Krankenhäuser Wirtschaftsbetriebe und unterliegen damit dem Wettbewerbsrecht oder sind sie Teil der Daseinsvorsorge des Staates und damit auch der Kommunen? Welche Kompetenzen hat die Europäische Union, darauf Einfluss zu nehmen?

Der Verband reagiert mit seiner Forderung auf die „anhaltende Schwäche der Gesundheitspolitik in Bund und Ländern, die seit Jahren an Symptomen kuriert, anstatt diese Grundsatzfrage zu beantworten", so IVKK-Vorsitzender Bernhard Ziegler. Ausgangspunkt für die Kritik war eine Wettbewerbsklage privater Klinikbetreiber, die jedoch nach dem Inhalt des Expertengutachtens abzuweisen wäre.


Dass es überhaupt zu der Klage kommen konnte, liegt nach Ansicht des IVKK an der verworrenen Gesetzeslage, und damit an der Schwäche der Gesundheitspolitik. „Seit Jahren erleben wir, wie die Politik aus dem Zustand der Not heraus operiert", so Ziegler. Offensichtlich fehle es sowohl Bund als auch Ländern an der Kraft zu einer grundsätzlichen Klärung. In halbherzigen Reformansätzen seien zahlreiche Details verändert worden. Entstanden sei ein immer stärker kommerzialisiertes Krankenhauswesen, in dem die Bedürfnisse von Patienten zu Produktionsfaktoren degradiert worden seien. „Private Betreiber finden inzwischen günstige Bedingungen vor und berufen sich in ihrem Kampf um Marktanteile auf ein Wettbewerbsrecht, welches für Automobilkonzerne oder Großbäckereien geschaffen wurde", bemängelt er.


Kommunale Krankenhäuser sind jedoch keine Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechtes, hat der vom IVKK beauftragte Gutachter, der Hannoveraner Staats- und Europarechtler Professor Dr. Volker Epping, herausgearbeitet. Eine Klage, die wie im vorliegenden Fall am Landgericht Tübingen Ausgleichszahlungen und Bürgschaften einer Kommune für ihr Krankenhaus als Verstoß gegen EU-Beihilferecht und damit als Wettbewerbsverzerrung verbieten lassen möchte, sei unbegründet.
Sowohl im Europarecht, aber vor allem auch im Grundgesetz, gebe es Schranken gegen eine damit verbundene Unterordnung der Krankenhausversorgung unter marktwirtschaftliche Gesetze. Die im Grundgesetz verankerte Unantastbarkeit der Menschenwürde sowie das hier ebenfalls formulierte Sozialstaatsprinzip begründen einen Anspruch der Bevölkerung auf eine angemessene stationäre Versorgung. Dieser verbiete, Kliniken wie gewöhnliche Unternehmen zu betrachten, die in erster Linie gewinnorientiert wirtschaften.

„Das Gutachten verneint die Anwendbarkeit des EU-Wettbewerbsrechts auf den Krankenhausbereich", so IVKK-Vorsitzender Bernhard Ziegler. Krankenhäuser seien ein elementarer Bestandteil des deutschen Sozialstaats, der nach dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2009 nicht auf die EU-Ebene übertragen werden dürfe. Allerdings habe das Lissabon-Urteil nur einen abstrakten Rahmen definiert. „Was wir jetzt brauchen ist eine Klarstellung aus Karlsruhe, wie dieser Sozialstaatsanspruch der Bürger im Hinblick auf Krankenhausversorgung konkret ausgestaltet werden muss", fordert der IVKK-Chef. Dazu zähle sowohl die Frage der Krankenhausfinanzierung inklusive der Verwendung etwaiger Überschüsse aus dem Krankenhausbetrieb (Gewinnorientierung oder Gemeinnutz) als auch die nach der Versorgungsstruktur (Kapazitäten und Flächenversorgung).

Bernhard Ziegler: „Die bekannt gewordenen Positionen aus den laufenden Koalitionsverhandlungen im Bund zeigen uns, dass die Politik zwar einzelne Defizite erkennt und beheben möchte. Eine grundsätzliche Lösung ist aber weiterhin nicht in Sicht. Offensichtlich braucht der Gesetzgeber auch hier die Hilfe des Bundesverfassungsgerichtes. Wir sind entschlossen, den Fall dorthin zu bringen!"

Der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser e.V. vertritt die Interessen der rund 600 Kliniken in kommunaler Trägerschaft in Deutschland. Gegründet im Jahr 2005 versteht sich der Verband als Ergänzung zur Arbeit der kommunalen Spitzenverbände und bringt die Stimme der fachlich verantwortlichen Geschäftsführungen, Vorstände und Krankenhausdirektorien in die öffentliche Debatte ein. Die Mitgliedshäuser des IVKK versorgen jährlich rund 2,5 Millionen Patienten und beschäftigen ca. 60.000 Mitarbeiter.

Für Rückfragen der Redaktionen:
Dr. Uwe Alschner (Geschäftsführer)
Mobil: 0163.8822150





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